Montag, Februar 19, 2007

Bei der FAZ ist jemand aufgewacht

Wir leben in Zeiten eines "Krieges gegen den Terrorismus", einer medienwirksamen Verurteilung der organisierten Kriminalität sowie der Ankündigung von Verboten "zu" geringer Preise im Lebensmitteleinzelhandel - was Ökonomen in Verbindung mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes übrigens wie Hohn in den Ohren klingt. Da ist es erfrischend, ein Buch zu lesen, das auf nüchterne, aber sehr prägnante Weise die Anreizstrukturen der Justiz, der Ermittlungsbehörden, der Verbrecher und der Menschen, die von der Politik zu solchen gemacht werden, sowie deren Kunden analysiert.

Valentin Landmann, Jurist aus der Schweiz, erörtert in seinem kurzweiligen Buch die Parallelität von legalem und illegalem Verhalten. Seine Grundannahme dabei lässt sich am besten dahin gehend zusammenfassen, dass sämtliche Menschen positiv auf ökonomische Anreize reagieren und daß die Grenzen zwischen dem legalen Teil der Gesellschaft und der Halbwelt (oder der Unterwelt) verschwimmen. Landmann zufolge ist jedermann käuflich. Dieses Bild erscheint etwas zu simpel, weil Moral so hauptsächlich unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten interpretiert wird. Aber abgesehen davon, ist Landmanns konsequente Analyse entlang eines ökonomischen Argumentationsstranges überzeugend, weil sie die Stärken und Schwächen der Unrechtsbekämpfung deutlich macht. Nicht alles, was sich der Gesetzgeber hat einfallen lassen, reduziert die Anzahl der Kriminalfälle. Die Frage, die sich der Verfasser an diesen Befund anschließend stellt, lautet: Will der Gesetzgeber überhaupt die Anzahl der Kriminalfälle reduzieren? Liegt ihm nicht vielleicht daran, möglichst viele Gesetzesbrüche zu erzeugen und nachzuweisen, um den entsprechenden Apparat auszuweiten?

Was sich wie eine Verschwörungstheorie liest, wird in drei Kapiteln sauber abgeleitet.
Schleichende Kriminalisierung - FAZ

Reichlich verschwurbelt, der Text, aber immerhin. Und schön das bei "Theorien", die nicht in das Weltbild passen, nicht gleich der "Verschwörungstheorie-Hammer" rausgeholt wird.

Schön finde ich die beiden Sätze:
Landmann zufolge ist jedermann käuflich. Dieses Bild erscheint etwas zu simpel, weil Moral so hauptsächlich unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten interpretiert wird.
Naja, dem kann ich ein anderes Zitat entgegenstellen:
"Ich hab es nur mit Unschuldigen zu tun. Die Beschuldigten haben meist keinerlei Unrechtsbewusstsein", sagt die Oberstaatsanwältin [Cornelia Gädigk, Leiterin der Anti-Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg]. Selbst ein Ingenieur des Klärwerks Köhlbrand, der 180000 Mark Bestechungsgeld kassiert haben soll, wollte ihr noch wortreich erläutern, dass ihm die Summe doch zusteht.
Wo ist die Moral? Manche Leute kennen keine Moral, so einfach ist das. Jeder glaubt das er das richtige tut, niemand reflektiert sein Handeln. Ich bin inzwischen der Meinung, das Großprojekte, egal ob LKW-Maut, digitaler Polizeifunk, elektronische Gesundheitskarte, DSD oder Terror-Datei, ohne das Riesenmaß an Korruption sowie Inkompetenz, das wir in Deutschland haben, nicht möglich wären. Und Inkompetenz im Amt ist leider nicht strafbar und was bei den Großprojekten rauskommt sieht man. Die LKW-Maut bringt eine halbe Milliarde weniger Einnahmen als erwartet ein bei gleichzeitigen Betriebskosten die bei ca. einem Viertel der Einnahmen liegen(!), der digitaler Polizeifunk kommt nicht vom Fleck, die elektronische Gesundheitskarte wird ein Fiasko werden, zum DSD sollen sich andere äußern und bei der Terror-Datei stehen die üblichen Blutsauger Schlange.

Und das man mit der Kriminalisierung weiter Bevölkerungkreise gut Geld verdienen kann zeigt die steigende Zahl der Juristen sowie die Privat-Gefängnisse. Und da die Wirtschaft ohne Wachstum nicht existieren könnte sorgt sie halt dafür das die "Kunden" immer mehr werden. Das passiert wenn man etwas, was in staatliche Hand gehört, in die Privat-Wirtschaft verlagert.

(via fefe)

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